Stellungnahme vom September 2003 zur Ausweitung der "elektronischen Fußfessel" in Hessen

Datum: 
2003-09-30 00:00:00

 

Stellungnahme des DBH - Fachverbandes zur Ausweitung der „elektronischen Fußfessel“ in Hessen

Gesellschaftliche Veränderungsprozesse wirken sich im Bereich der Kriminalpolitik besonders drastisch aus, gerade wenn populistische Überlegungen handlungsbestimmend sind. Es ist zur Zeit auch nur mit einer schwachen Gegenbewegung zu rechnen, da sich mittlerweile die Verfechter der Resozialisierung und der kritischen Betrachtung von gesellschaftlichen Entwicklungen rar gemacht haben. Bewährungs- und Straffälligenhilfe stehen immer im Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Hilfe – egal, ob sie als staatliche oder freie Institution organisiert sind. Aber wenn nur noch die Kontrollfunktion ausgebaut und der Hilfeanspruch aufgegeben wird, bleibt von dem Reformimpuls, der vor 50 Jahren zur Einführung der Bewährungshilfe in das deutsche Strafrecht führte, und der gesellschaftlichen Bereitschaft, sich mit abweichendem Verhalten aus einander zu setzen, nicht mehr viel übrig. Die Tendenz zu Strafverschärfungen und weiteren zusätzlichen Gefängnisbauten läuft einem humanen Gesellschaftsbild entgegen und kann nicht die Antwort auf gesellschaftliche Probleme sein. Die Straffälligenhilfe muss sich den Herausforderungen der gesellschaftlich veränderten Bedingungen stellen. Hilfe für Straffällige und ihre Kontrolle müssen in einem angemessenen Verhältnis entwickelt werden und sowohl dem Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft als auch dem Resozialisierungsanspruch gerecht werden. Die Einführung der sogenannte elektronische Fußfessel in Hessen als zusätzliche Bewährungsauflage bedeutet eine Strafverschärfung. Wenn nun in Hessen die Fußfessel flächendeckend eingeführt werden soll, so ist nach dem Effekt dieser Maßnahme zu fragen und ob es nicht alternative Möglichkeiten gibt den straffällig gewordenen Menschen    durch erzieherische Maßnahmen eine sinnvolle Hilfe an die Hand zu geben. Die Bewährungshilfe mit ihren verschiedenen Methoden, die stetig weiterentwickelt und effektiviert werden sollten, sollte eher ausgebaut werden, da dies den Menschen eine wahre Bewährung in Freiheit abfordert. Die Fußfessel erzeugt eher den für einen festgelegten Zeitraum angepassten Menschen. Die von der Politik in Hessen postulierten positiven Erfolge der Fußfessel geben eher zum Zweifel Anlass, als dass sie überzeugen. Die ausgewählten Personen müssen Voraussetzungen erfüllen, die häufig von den „normalen“ Probanden der Bewährungshilfe schon nicht erfüllt werden. So muss ein fester Wohnsitz, eine geregelte Tagesstruktur (Arbeit o.ä.) und ein eigener Telefonanschluß vorhanden sein. Die Mitarbeiter der Justiz betreuen im Modellprojekt 3 – 5 Personen, die elektronisch überwacht wurden. Dass dies ein positives Ergebnis hervorbringt, ist schon zu einem sehr erheblichen Teil auf idealen Betreuungsschlüssel zurückzuführen. Die Bewährungshelfer dagegen betreuen im Schnitt in Hessen 73 Personen. Könnte diese Zahl gesenkt werden, würde die Erfolgsquote, die jetzt bei annähernd 70 % liegt, noch weiter gesteigert werden können.

DBH setzt sich für die Weiterentwicklung der Straffälligenhilfe ein und hat durch die Einführung und Entwicklung verschiedener Modelle bewiesen, dass innovative Ideen auch Erfolge zeigen können. Beispiele dafür sind die Einführung der Gerichtshilfe und des Täter-Opfer-Ausgleichs. Die methodische Arbeit der Bewährungs- und Straffälligenhilfe sollte weiterentwickelt werden. Auch die Prüfung von technischen Geräten zur Vereinfachung von Hilfe und Kontrolle sollte nicht ausgeschlossen sein. Ansätze, die zu einer Reduzierung der Inhaftiertenzahlen im Gefängnis führen sind sinnvoll. Ein „an die Kette legen“ der Straffälligen halten wir für unangemessen, denn dies ist ein weiterer Schritt zurück auf dem Weg zur Restriktion und einer inhumanen Gesellschaft.

 

 

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

Mitglied in der:

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Deutscher Präventionstag
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