Vom 17. bis 19. September 2025 fand unter dem Titel „Strafrechtspflege im Wandel der Zeit – Herausforderungen und Wege für die Resozialisierung“ die 25. Bundestagung des DBH-Fachverband e.V. online statt. Im Zentrum stand die Frage, wie sich die Soziale Strafrechtspflege und der im Grundgesetz verankerte Gedanke der Resozialisierung zukunftsfest gestalten lassen.
Der Eindruck, in einer Zeit permanenter Krisen zu leben, scheint innerhalb der Gesellschaft zuzunehmen. Unter dem Stichwort der „Polykrise“ treffen ökologische, wirtschaftliche, politische und soziale Spannungen gleichzeitig aufeinander und verstärken sich gegenseitig. Unter anderem medial vermittelt, steigt auch das Gefühl von stetig wachsender Kriminalität. Häufig werden dazu allerdings Kriminalitätsstatistiken ohne Berücksichtigung ihres einschränkenden Aussagecharakters herangezogen. Prof. Dr. Kirstin Drenkhahn warf einen Blick auf Daten und Studien in der Kriminologie und verdeutlichte, dass langfristige Trends eher stabil sind.
Gleichwohl ist die Soziale Strafrechtspflege erheblichen Herausforderungen ausgesetzt: Die institutionelle Entwicklung und Professionalisierung im Bereich der Ambulanten Sozialen Dienste führt seit einigen Jahren zu einer wachsenden Komplexität, welche die Verzahnung von Wissenschaft und Praxis zusätzlich erschwert. Die Freie Straffälligenhilfe hat mit Finanzierungsschwierigkeiten und mit einer zunehmenden Infragestellung zivilgesellschaftlichen Engagements auf politischer Ebene zu kämpfen. Verstärkt wird dies durch einen, auch im Justizvollzug herrschenden Fachkräftemangel, der auf eine Klientel trifft, die zunehmend durch psychische Erkrankungen und Abhängigkeitserkrankungen belastet ist.
Neben diesen ausgewählten Problemlagen stellt die Digitalisierung alle drei Bereiche vor neue Herausforderungen. Insbesondere dieses Thema verdeutlichte den weiten Spannungsbogen zwischen Risiken und Chancen. Die fehlende Infrastruktur in vielen Einrichtungen, der „Automation Bias“, ethische Risiken, hohe Zugangshürden für Menschen im Vollzug und der drohende Verlust des direkten menschlichen Kontakts könnten in eine digitale Exklusion münden, anstatt soziale Teilhabe zu fördern. Gleichzeitig können in der Bewährungshilfe Virtual-Reality-Programme oder KI-gestützte Risikoanalysen neue Möglichkeiten eröffnen, Resozialisierung individuell und effizienter zu gestalten. Für freie Träger kann die Digitalisierung von Vorteil sein, indem sie Kommunikation und Dokumentation erleichtert und beschleunigt. Für Klient:innen besteht die Chance auf mehr Selbstbestimmung, weniger Stigmatisierung sowie eine schnellere Bearbeitung von Verfahren.
Auch in den vielfältigen Arbeitsgruppen wurde deutlich, dass Chancen und Risiken oftmals zwei Seiten derselben Medaille sind. So wurde herausgearbeitet, dass strukturelle Hemmnisse wie Datenschutzfragen, unklare Konzepte für den Umgang mit herausfordernden Klient:innen, fehlende Anschlussangebote oder mangelnde personelle Kapazitäten eine zielgerichtete Umsetzung behindern können. Als zukunftsweisend galten dagegen mehr Mut zu Vollzugslockerungen und zum offenen Vollzug, Peerarbeit, technische Innovationen sowie verbindliche Kooperationsabsprachen zwischen verschiedenen Akteuren. Als zentrale Chancen wurden zudem eine nachhaltige Vernetzung und ein kontinuierlicher Austausch zwischen Vollzug, Bewährungshilfe und freien Trägern benannt.
Um Resozialisierung zukunftsfest zu gestalten, besteht zudem die Notwendigkeit, Demokratiearbeit als festen Bestandteil von Resozialisierung zu begreifen. Dazu braucht es vor allem Mut, Motivation, Ressourcen, Resilienz, aber auch wissenschaftliche Erhebungen. Als Mittel um den lauter werdenden Rufen nach Bestrafung und Strafschärfung wirksam entgegenzutreten wurde mithin aufgezeigt, dass die Arbeit der Sozialen Strafrechtspflege stärker durch eine strategische Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden sollte. Insbesondere durch social media könnten Vorurteile gegenüber Menschen mit Hafterfahrung reduziert werden. Authentisches Storytelling, das Erfolgsgeschichten, Faktenklarstellungen oder den Alltag der Strafrechtspflege sichtbar macht, könnte dazu beitragen, den rein defizitären Blick zu überwinden und stattdessen die Lebensrealitäten der Menschen stärker in den Vordergrund zu rücken.
Forschungsarbeiten braucht es allerdings nicht nur im Rahmen der Demokratiearbeit. Besondere Bedeutung kam insofern den ersten Ergebnissen der bundesweiten Befragung in der Bewährungshilfe „Erfahrungen, beruflicher Alltag und Sicherheit in der Bewährungshilfe“ (EbASiB) zu, welche von Dr. Sabine Hohmann-Fricke vorgestellt wurden. Sie gab erste Einblicke bezüglich der verschiedenen Akteure (Bewährungshelfer:innen, Proband:innen), dem beruflichen Alltag, der Gewalterfahrung, zum Sicherheitsgefühl und zu kritischen Aspekten bzw. Verbesserungsmöglichkeiten der Arbeit in der Bewährungshilfe. Tiefere Einblicke werden Sie unserer noch erscheinenden Dokumentation zur Bundestagung entnehmen können.
Die Tagung machte letztlich sehr deutlich: Die Soziale Strafrechtspflege steht im Wandel. Sie ist geprägt von Ressourcenknappheit, wachsender Komplexität, Digitalisierungsschüben und einer zunehmend polarisierten und politischen Umgebung. Doch in dieser Situation liegen auch Chancen. Wenn es gelingt, digitale Innovationen sinnvoll einzusetzen, die Demokratiearbeit zu stärken und Klient:innen durch Teilhabe zu fördern, kann die Resozialisierung auch in Zukunft gelingen. Im Zentrum stehen dabei der Austausch, die Vernetzung sowie ein gegenseitiges Verständnis und Rückhalt unter den Akteur:innen.
Ein herzliches Dankeschön an alle, die teilgenommen und ihre Erfahrungen eingebracht haben. Wir freuen uns darauf, Sie bei unserer nächsten Bundestagung erneut begrüßen zu dürfen!